Der Autor
I
ch wurde geboren, gewickelt und gefüttert. Nach einiger Zeit vorschriftsmäßigen Größenwachstums nahm mich die erweiterte Verwandtschaft erneut in Augenschein und mit erheblichem Missmut stellten die groß-familiären Betrachter fest, dass sie ein ziemlich dickes, rothaariges, mit Sommersprossen übersätes Kind vor sich hatten.
Da man auch damals schon Kinder wegen Nichtgefallens nicht umtauschen oder entsorgen wollte, blieb meinen Eltern – also vor allem meiner Mutter, denn Vater musste ja die Brötchen verdienen – nichts anderes übrig, als mich großzuziehen. Und so kam es, dass das anfangs doch reichlich unförmig dicke Kind durch glückliche Fügungen und harte Arbeit zu einem athletischen und gut aussehenden aber über die Maßen scheuen jungen Mann heranwuchs, dem als erstem aus der Familie seine Reife schriftlich in die Hand gedrückt wurde und der daraufhin in die Welt hinauszog, um sich zu beweisen, damit ihm endlich Haare auf der Brust wüchsen.
Studium nannte man das zu jener Zeit. Weil ich aber, trotz der Bescheinigung, so gar keine Ahnung von den Schwierigkeiten des Lebens außerhalb der familiären Geborgenheit hatte, geriet mein »Ausbruch« doch ziemlich daneben. Ich stolperte mehr durch Vorlesungen und Übungen in Physik und Elektrotechnik, als dass ich mich wissenschaftlich hervorgetan hätte. Letztlich aber wurde mir mal wieder ein Zeugnis überreicht, nur dauerte es eben wesentlich länger als geplant. Meine Eltern meinten hinterher, es wäre doch wohl besser gewesen, ich wäre einfach zur Sparkasse gegangen; dann wäre ich bestimmt schon Zweigstellenleiter, wenn nicht gar mehr und hätte Haus, Frau und Kinder und das viele Geld, das die Ausbildung gekostet hätte, würde ich sowieso nicht wieder »einfahren« …
Als verhinderter Sparkassendirektor stand ich dann viele, viele Jahre vor jungen Menschen und versuchte mit allerlei Tricks, diese in die Geheimnisse von Strom oder Schwer- und Kernkraft einzuweihen. Begeisterung und Erfolg hielten sich jedoch in sehr überschaubaren Grenzen und so bildete ich mich nebenher zum Informatiker aus, erhielt auch hier ein Zeugnis, betreute jahrelang mit viel Enthusiasmus eine Institutspräsenz im bunten Welt-Netz und führte junge Erwachsene in die Kunst der Datenbanken ein. Bei so viel Kopfarbeit, meinte ich, wäre dringend Kultur zum Ausgleich angesagt.
Bei einer zufälligen Begegnung entdeckte ich eine damals völlig neue Form des experimentellen Theaters, war begeistert und ließ mich in dieser Kunst in Düsseldorf unterrichten, natürlich wieder einmal mit Abschlusspapier. Euphorisiert (wir schrieben die Achtziger, als alles möglich schien) keimte kurz der Wunsch auf, den bisherigen Beruf an den Nagel zu hängen und mich ganz der Bühne zu verschreiben. Wie gesagt: Kurz. Sehr, sehr kurz. Ich blieb dann doch lieber bei meinen Leisten, lernte noch Saxophonspielen und vermittelte nebenher vielen Menschen jeden Alters die befreiende Lust am Theaterspielen.
Bis ich, endlich vom Streben nach immer Neuem die Nase voll, mit dem Niederschreiben der vielen Geschichten aus meinem Leben begann, sollten noch viele Jahre vergehen. Da hatte ich schon mehr als sechzig Mal meinen Geburtstag gefeiert und längst Frau und Kinder und Haus.