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Gyros-Grill

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In der griechischen Pommesbude von Frau A., die zu den fünfzig kultigsten im Revier gehört, ist gerade nicht viel los, denn außer mir ist kein weiterer Kunde da. Die langjährige Mitarbeiterin geht im fettgeschwängerten Dampf unter dem fünffeldrigen Wrasenabzug ihrer Arbeit nach und wendet mit schnellen Bewegungen der Zange geschickt die brutzelnden Würstchen auf der Grillplatte, während meine Kartoffel-Bestellung bereits im heißen Fett gart. Die Chefin macht Pause, sitzt an einem der drei Tische, die für die „Zum-hier-Essen-Kundschaft“ aufgestellt wurden, in der hinteren Ecke des Gastraumes und telefoniert. Darum entfällt der übliche Smalltalk über Gesundheit, Ergehen der Familie oder das miese Wetter.

 

Eine Frau mittleren Alters, gepflegt und gut gelaunt öffnet mit Schwung die Eingangstür und betritt so schnell den Imbiss, dass ich, der ich ihrem forschen Eindringen im Weg stehe, nur durch einen raschen Schritt seitwärts einem Zusammenprall entgehe. Immerhin ernte ich dafür ein breites Lächeln der geschwinden Dame.

„‘N Abend.“

„Guten Abend.“ Einen Moment unterbricht die Fleißige ihr Wendemanöver und dreht sich halb zur Kundin, die sie durch ihr besonders herzliches Lächeln und ein angedeutetes Kopfnicken als Stammkundin begrüßt, sofort bereit, nach Aufnahme der Bestellung, diese zügig abzuarbeiten: „Bitte schön?“

„Ich hätte gerne vier einfache Pommes, eine Currywurst mit Doppelpommes, einen Krautsalat und eine Portion Zaziki.“

„Aha“, denke ich, „ein Kindergeburtstag, und die Kleinen sind länger geblieben als geplant.“, während die Emsige vorfrittierte Kartoffelstäbchen aus einem Karton rechts zwischen Soßen-Bain-Marie und Pizzaofen mit einer Futterschaufel aus Aluminium in die größere der beiden Fritteusen befördert.

„Die Pommes ohne alles?“

„Zwei Pommes mit Mayo, die beiden anderen mit Currysoße und die doppelte mit Mayo und Currysoße.“

„Also:“, fasst die Fleißige zusammen, „Zwei einfache Pommes mit Mayo, zwei einfache Pommes mit Currysoße, eine Currywurst, eine Doppelpommes mit Mayo und Soße, ein Krautsalat und einmal Zaziki!“

„Genau.“

„Die Currywurst scharf?“

„Ja, bitte. Wie immer.“

Also doch kein Kindergeburtstag.

Die Kundin schaut vor sich hin, von ihrer Lebhaftigkeit ist nichts mehr zu spüren, und mein Blick ist ohnehin mehr nach innen gerichtet. Es ist nicht der Abend für spontanen Austausch von belanglosen Freundlichkeiten. Die zufällig beteiligten Figuren passen hier und jetzt nicht zusammen, gehören zu verschiedenen Spielen. Da kann einer würfeln, solange er mag. Das kann nichts werden.

Bis auf das sonore Brummen des Lüftungsmotors herrscht Stille im Lokal. Die Chefin hat ihr Gespräch beendet, hält ihr Mobiltelefon wie ein Gebetbuch in den Händen und starrt an uns Kunden vorbei nach draußen. Sie hat jetzt wohl kein Bedürfnis, eine Unterhaltung zu beginnen. Nur der Kompressor der Kühltheke springt an und lässt kurz die Glasscheiben der Auslage klirren.

Die Geschäftige richtet meine Bestellung zum Mitnehmen her, stellt sie auf die Theke vor der Kasse und ruft: „Fertig!“

„Ganz liebe Grüße zu Hause!“, gibt mir Frau A. dann doch noch mit auf den Weg, als ich bereits halb zur Tür hinaus bin.

„Danke.“, sage ich und schaue mich kurz um, „Werde ich ausrichten.“

Lächelnd verlasse ich unsere „Notfall-Fütterung“. Kein Smalltalk heute, aber wenigstens ein Abschied wie immer.

„Ich könnte das nicht.“, denke ich, „Solche Bestellungen behalten!“ und bin froh, dass ich noch weiß, dass da eine Kundin außer mir im Laden war. Und als ich – nur so, um mein Gedächtnis zu trainieren – versuche, mich an die Farbe ihres Mantels zu erinnern, werde ich doch beinahe von einem Auto auf dem Zebrastreifen überrollt.

Ich kann einfach keine zwei Dinge gleichzeitig erledigen.